Albern ist das?
Mit einem kleinen Licht die Welt retten wollen?
Mit Kerzen und Liedern, Musik und Geschichten?
Albern ist das.
Kindisch, naiv, traumtänzerisch.
Gutmenschen. Trottel.
Man rettet die Welt nicht mit der Stimmgabel.
Nicht mit dem Taktstock, der Singstimme,
Nicht mit Lichtern, Geschichten, Kerzen und Niedlichkeit.
Albern ist das.
Mit einem kleinen Licht gegen die unendliche Dunkelheit des ganzen Universums?
Mit Lichterketten gegen Fremdenhass?
Was ist Fremdenhass?
Sind Fremde die besseren Menschen und die, die sie hassen, dumm?
Albern ist das!
Die Fremden, die Juden, die Muslime, die Flüchtlinge
- oder wer auch immer gerade im Blickfeld ist -
sind nicht die besseren Menschen,
und deshalb haben die Gutmenschen sie so lieb,
und die Schlechtmenschen hassen sie,
weil sie besser als sie sind.
Nein.
Besser sind die Fremden nicht.
Auch nicht schlechter.
Da sind sie.
Menschen sind sie.
Anders sind sie.
Anders als wir.
Genauso wie ich.
Montags.
Wir sind das Volk.
Wir wollen Freiheit.
Keine Diktatur.
Keine faschistische, keine kommunistische, keine religionsfanatische.
Keine Diktatur.
Keine Minenstreifen, keine Grenzsoldaten,
Keine Gleichschaltung, kein Denkverbot.
Keine Diktatur.
Freiheit.
Wir sind das Volk.
Montags.
Wir sind das Volk.
Warum brüllen sie denn so?
Hat ihnen irgendjemand was weggenommen?
Nur weil es andere gibt, die auch was brauchen?
Nicht von ihnen, aber genauso wie sie.
Wen hassen sie denn eigentlich?
Wer schadet ihnen denn?
Die, die auch den anderen schaden.
Die, vor denen die anderen fliehen?
Nicht genau dieselben.
Aber doch irgendwie derselbe Menschenschlag?
Die, die Macht haben wollen, unermesslichen Reichtum,
Ausbeutung, Terror, Gewalt und Krieg.
Wir sind das Volk - wir dieses und die jenes Volk.
Montags. Einige zünden jetzt Lichter an. Kleine. Grössere. Verschiedene.
Montags - gegen den Hass, für den Frieden.
Montags - gegen Gewalt, für Mitgefühl.
Für Mitweltlichkeit, Mitmenschlichkeit ...
Montags abends ein Teelicht oder 'ne Kerze?
Ansonsten der immer gleiche Alltagstrott.
Nichts ändert sich.
Sie kaufen unfair gehandelte Waren,
in Plastik verpackt,
unökologisch produziert.
Sie finanzieren das System und produzieren Waffen.
Jeder macht irgendwie mit.
Albern ist das! Was kann einer alleine schon ändern?
Fragt sich jeder und jede - fragen sich alle.
Jeder und jede für sich. Allein. Alle.
Mancher, manche zünden ein Licht an.
Aus lauter Verzweiflung.
Ein Licht gegen Hilflosigkeit.
Albern ist das?
Und dann sind da all die anderen.
Mit all den Lichtern.
Macht ist das nicht.
Keiner weiß, wie das alles ausgehen wird.
Ist das Opium? Volksberuhigung?
Sie zünden Lichter an, singen Lieder, erzählen Geschichten, schreiben Texte, Satire, Theaterstücke, Gedichte. ...
Manche schauen stattdessen das Fernsehprogramm, glauben die Bildschirm-Wahrheit.
Aber die mit den Lichtern, was glauben die?
An das Gute? An das Leben? An die Liebe?
An Stärke statt Machtgier?
An Miteinander statt gegeneinander?
An Nebeneinander - gemeinsam unterschiedlich
- statt einander gegenüber, uneins,
aber im Dagegensein gleichgeschaltet?
Albern ist das?
Vielleicht muss nicht alles immer das Gegenteil von albern sein.
Vielleicht ist es egal, was man tut, weil sich eh' nie was ändert.
Aber, wenn es eh' egal ist, was man tut,
dann ist es egal, dass man es tut.
Dann kann man das machen oder auch nicht.
Grad wie man mag.
Albern sein, tut manchmal einfach gut.
Vielleicht geht es nicht immer um den Effekt.
MontagsLichter
zwingen Kriegstreiber nicht in die Knie.
Vielleicht macht man das nicht für irgendein "Umzu".
Um zu ändern, um zu zeigen, um zu bewirken ...
Vielleicht macht man das einfach nur so.
Montags abends grüßen sich Menschen gegenseitig mit Lichtern und sagen:
Ich sehe dich. Und hier bin ich.
Mehr nicht.
Nicht nichts.
Albern ist das! Und das ist gut.
Noch nie waren die, die Krieg wollten, albern, kindisch, verträumt und niedlich.
Nein, die sind ernst, vernünftig, klug, rational und realistisch.
Die sehen die Welt, wie sie ist.
Wir sind das Volk.
Wir sehen, was sein könnte - und das, was immer AUCH ist. Aber nie nur.
Meistens leise und klein, unscheinbar und niedlich - irgendwie albern, ganz sicher nicht gigantisch.
Wenn Gigantomanie die Krankheit ist, die zerstört: Lebensräume, Menschenleben, Frieden und Träume - was ist dann sinnvoll an riesig bedeutsamen Handlungen?
Was sagen wir unseren Kindern, wenn sie fragen?
Sind die Fremden böse oder gut?
Oder sind die böse, die sie hassen, die wütenden Bürger?
Sind die gut?
Wer sind wir? Sind wir gut?
Sind wir denn überhaupt ein "Wir"?
Mit wem haben wir denn Gemeinsamkeiten?
Mit allen?
Mit den Fremden?
Mit den wütenden Bürgern?
Mit den anderen?
Mit allen?
Und worin bestehen die Unterschiede?
Ach so.
Kerzenschein-Gespräche mit Kindern in Häusern,
in denen Fragen gestellt und Gespräche geführt werden,
Geschichten gehört und Gedanken gedacht,
Gedichte geschrieben, Lieder gesungen und Bilder gemalt werden.
Und Lichter angezündet.
Wenn es egal ist, weil es sinnlos ist und nichts bringt, dann ist es egal, dass man es tut.
Wenn es egal ist, dann muss es nicht kritisiert und in Frage gestellt werden.
Vielleicht ist es nicht egal, sondern albern.
Nicht egal wie gleich oder gleichgültig, sondern anders.
Nicht egal wie unsinnig oder unscheinbar, sondern sichtbar und - anscheinend - etwas auslösend.
In den Häusern, in den Familien.
Vielleicht ist es einfach.
Was es ist. Ein Licht.
Und vielleicht wird es
Ein Lichtermeer.
Der Text wurde frei zitiert aus einem Facebook-Post - Alle Rechte am Originaltext bei
Sonja Manderbach (Jahrgang 1977) - Philosophin & Kulturwissenschaftlerin, Oldenburg