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Manager als gierige Kriminelle

Die organisierte Kriminalität deutscher Autobauer in der harmlos als "Diesel-Affäre" umschriebenen Sauerei, der Libor-Skandal, die Siemens Schmiergeldaffäre, der Cum-Ex-Skandal, die Preisabsprachen großer Konzerne – die Liste der Korruptionsaffären und Ethikverstöße der letzten Jahren in Deutschland lässt sich beliebig fortsetzen.

Und das, obwohl die Anforderungen der Regulierungsbehörden an die Firmen in der Vergangenheit stetig gewachsen sind, die Unternehmen selbst immer strengere Compliance-Regeln ausarbeiten und ihre Manager sogar in ethischem Verhalten schulen. In einer Studie der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young (E&Y) halten 43 Prozent der Manager hierzulande unlauteres Geschäftsgebaren für verbreitet – deutlich mehr als vor zwei Jahren. Ein Viertel der Befragten unter den deutschen Managern sagt sogar, dass er zu unethischem Verhalten im Job bereit ist, wenn es der eigenen Karriere dient. Im westeuropäischen Durchschnitt sagen das nur 14 Prozent. Damit hat das Bild des ehrbaren deutschen Kaufmannes deutliche Kratzer erlitten.

In der anonymisierten Studie, in der weltweit 4 100 und in Deutschland mehr als 100 Manager der mittleren und hohen Führungsebene teilgenommen haben, sind die Hälfte der Manager in Deutschland in ihrem Berufsleben bereits mit ethischen Verfehlungen konfrontiert worden. Stefan Heißner, Leiter von Fraud Investigation bei EY in Frankfurt am Main und Mitdesigner der Studie, ist überrascht, dass gerade in Deutschland so hohe Prozentzahlen für Korruption und unethisches Verhalten zu verzeichnen sind: „Verheerend daran ist, dass solche Fälle die über Jahre gemachten Fortschritte der deutschen Konzerne in Sachen Compliance in den Hintergrund rücken lassen“, sagt Heißner. Der ehemalige Kriminalbeamte hat sich in seiner aktiven Zeit in Frankfurt am Main intensiv mit der Dunkelfeldforschung beschäftigt. Deshalb geht er davon aus, dass die Dunkelziffer auch bei dieser Studie noch viel höher anzusiedeln ist.

Und noch etwas macht Heißner Sorgen: Innerhalb der sogenannten Generation Y (25–34 Jährige) ist in allen befragten Ländern ein höherer Anteil als in anderen Altersgruppen bereit, unethisches Verhalten zu rechtfertigen. Einer von vier jungen Befragten rechtfertigt es, Schmiergelder zu zahlen, um einen neuen Auftrag zu gewinnen. Im Durchschnitt aller Altersgruppen dagegen würde dies nur jeder Sechste tun. „Das Unrechtsbewusstsein der Generation Y scheint also deutlich schwächer ausgeprägt als bei den Älteren“, sagt Heißner. Und das, obwohl die jungen Berufseinsteiger heute viel intensiver in der Regelkonformität geschult würden. Ein Verhalten, das der Karriere keineswegs zuträglich ist: „Unethisches Verhalten kann schnell das Karriereende bedeuten“, warnt Heißner.

Kunden bestrafen unlautere Chefs „Gerade die Rechtfertigung korrupten Handelns stellt eine große Gefahr dar“, erklärt die Korruptionsforscherin Tanja Rabl, Professorin für Personalmanagement, Führung und Organisation an der Technischen Universität Kaiserslautern. „Aus unserer Forschung wissen wir, dass korrupte Akteure oft vermeintlich positive Absichten hervorheben, die hinter ihrem Handeln stehen. Sie appellieren zum Beispiel an höhere Ziele und argumentieren, dass sie doch nur alles getan haben, um die Auftragslage und den Gewinn ihres Unternehmens zu steigern“, sagt Rabl. Solche Rechtfertigungsstrategien seien sozial gelernt. „Sie können dazu führen, dass in Unternehmen korruptes Handeln mehr und mehr akzeptiert und schließlich als normal angesehen wird.“ Eine von Rabl durchgeführte Studie mit 168 deutschen Entscheidungsträgern aus zwölf Industrien zeigt, dass Korruption in Situationen, in denen sie zur Gewinnung eines Auftrags erfolgt oder aufgrund finanzieller Schwierigkeiten initiiert wird, als weniger unethisch wahrgenommen wird. „Es gibt jedoch nicht die eine Ursache für Korruption“, sagt Rabl, „es ist vielmehr ein Wechselspiel von Faktoren, das letztlich zu Korruption führt.“ Klar ist: „Korruption stellt eine Gefahr für das Unternehmen dar. So kann der Vertrauensverlust der Kunden, Lieferanten und potenziellen Bewerber zu erheblichen Nachteilen im Wettbewerb führen“, sagt Rabl.

Eine Studie der Kühne Logistics University in Hamburg unterstützt die Aussagen von Rabl: „Moralische Fehltritte von Führungskräften wirken sich negativ auf das Kaufverhalten der Kunden aus,“ sagt der Leiter der Studie, Professor Niels Van Quaquebeke. Das konnten die Hamburger Forscher in verschiedenen Experimenten beweisen, bei denen sie sich die Kaufintentionen von Konsumenten bei Betrieben angeschaut haben, die durch ethische Verfehlungen aufgefallen sind.

In ihrer Untersuchung zeigen die Forscher, dass das von Konsumenten wahrgenommene Verhalten von Führungskräften bei der Kaufentscheidung eine viel größere Rolle spielt als PR-Aktivitäten. „Es genügt also nicht mehr, für jeden verkauften Getränkekasten eine Spende an den Regenwald zu versprechen oder mit eingespartem Verpackungsmüll zu werben“, sagt Van Quaquebeke. (aus "Sächsische Zeitung")

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